E-Autos für 7.800 Dollar: Wieso BYDs Preisdumping Chinas Vorzeigeindustrie zerstören könnte

(Foto: J. Lekavicius/Shutterstock)
Im Ausland gilt Chinas Elektroautoindustrie fast als Naturgewalt, die die Welt im Sturm erobern wird. Doch ein aktueller Blick in das Land selbst zeigt eher das Gegenteil: die Angst vor einem Zusammenbruch der Vorzeigebranche. Auslöser ist ausgerechnet der Marktführer und Platzhirsch selbst – BYD. Der Grund: Ende Mai 2025 zündete BYD die nächste Stufe im innerchinesischen Elektroauto-Preiskrieg.
Wie eine Panikattacke: Preisdumping bei BYD mit Folgen
Chinas größter Elektroauto-Hersteller kappte die Preise bei 22 Modellen um bis zu 30 Prozent. Den Mini-Hatchback Seagull gibt es jetzt für umgerechnet knapp 7.800 US-Dollar. In der Folge zogen andere Hersteller nach – wie üblich. Doch dieses Mal ist etwas Neues passiert: Die Preissenkungen lösten in der Industrie und Politik so etwas wie eine Panikattacke aus.
Wei Jianjun, der Chef des Autoherstellers Great Wall Motor, warnte im Mai vor einer ähnlich katastrophalen Entwicklung wie in der chinesischen Immobilienindustrie. Nach der Pleite des Immobilienkonzerns Evergrande ist eine enorme Immobilienblase geplatzt, wodurch weitere Konzerne in den Abgrund gerissen wurden und die einst rasant wachsende chinesische Wirtschaft massiv gebremst wurde.
Jetzt urteilte Wei, dass es bereits ein „Evergrande der Autoindustrie“ gebe, der aber noch nicht explodiert sei. Einige Autohersteller seien „süchtig danach, Geld für Marktanteile zu verbrennen“, während sie Profitabilität und Innovation ignorierten.
Wird die E-Autobranche Opfer von Chinas Erfolgsrezept?
BYD wies die Warnung zurück und verteidigte die Preissenkungen als Teil einer eigenen Überlebensstrategie. Doch selbst die Partei- und Staatsführung warnt vor einer Krise in der Autoindustrie.
Die Renmin Ribao, das Sprachrohr der Kommunistischen Partei, schrieb bereits von „ungeordneten Preiskriegen“, die Gewinne über die gesamte Lieferkette hinweg vernichten und das Ökosystem gefährden würden. Und das Verkehrsministerium merkte öffentlich an, dass „Preiskriege keine Gewinner haben, geschweige denn eine Zukunft“.
Dieses Ausmaß an Intervention durch den Partei- und Staatsapparat deutet darauf hin, dass die Machthaber die Gefahr einer systemischen finanziellen Instabilität in einer strategisch wichtigen Branche erkennen. Dabei sind den Wirtschaftslenkern die Mechanismen von Blase und Pleitewelle eigentlich bekannt.
In China gehört der Aufbau von Überkapazitäten und das preisliche Unterbieten zur Industriepolitik dazu, die darauf abzielt, globale Wettbewerber auszuschalten. Das hat bei Solarzellen und Seltenen Erden, bei denen die Welt von China abhängt, sehr gut funktioniert und in anderen Bereichen wie Batterien teilweise auch.
Riesige Überkapazitäten warten schon lange auf eine Bereinigung
In der Autoindustrie lief das Spiel lange nach demselben Drehbuch. Es gibt offiziell 115 chinesische E-Auto-Marken, viele davon sind klein und schwach, werden aber von ehrgeizigen Lokalregierungen unterstützt. Einige davon sind vermutlich nur Frontfirmen, um staatliche Subventionen und Kredite in die eigenen Taschen umzulenken. Expert:innen rechnen daher schon lange mit einer harten Auslese und einem Tsunami an faulen Krediten.
Das Problem ist jedoch, dass die Autoindustrie mit ihren tiefen Lieferketten systemisch wichtiger ist als viele andere Industrien. Daher drohen noch mehr Subventionen und Kredite verbrannt zu werden als in vorherigen Fällen. Das Problem wird dadurch verschärft, dass die neue Preissenkungswelle eine bereits geschwächte Industrie trifft.
Seit Jahren wird die Autobranche von enormen Überkapazitäten und Preiskriegen geplagt. Die Zahlen sind brutal. So soll Chinas E-Auto-Produktionskapazität bis 2025 auf 36 Millionen Fahrzeuge steigen, während die prognostizierten Verkäufe bei nur 14 Millionen liegen. Das ergibt einen Überschuss von 20 Millionen Einheiten. Zum Vergleich: Das ist mehr als die gesamte jährliche Autoproduktion Europas.
Besonders hart trifft es die schwächeren Hersteller von Elektroautos, von denen viele schon Verluste schreiben, sowie die Zulieferer, die quasi als Quelle für zinslose Kredite missbraucht werden. Chinesische Autohersteller zahlen ihre Zulieferer im Durchschnitt nach 182 Tagen, westliche Hersteller hingegen meist nach ein bis eineinhalb Monaten.
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Auch Chinas Vorzeigemarken sind oft hoch verschuldet
Besonders hart ist, dass der Preiskampf die unteren Preissegmente trifft, in denen die Gewinnmargen ohnehin schmal sind – wenn es sie überhaupt gibt. Daher wächst die Sorge, dass selbst ernst zu nehmende Marken scheitern könnten, wenn die übliche Pleitewelle die automobile Spreu vom Weizen trennt. Denn wie der Autochef Wei anmerkte, haben viele Unternehmen ihren Aufstieg auf Pump finanziert, einige in gefährlichem Ausmaß.
Laut einem Bericht der chinesischsprachigen Nachrichtenseite China.com gelten 20 Prozent der Autounternehmen mit einer Schuldenquote von mehr als 70 Prozent als gefährlich hoch verschuldet. Dazu gehören demnach der globale Elektroautomarktführer BYD und der Volvo-Eigentümer Geely mit 74,6 beziehungsweise 88,6 Prozent. Doch einige Analyst:innen glauben, dass BYDs reale Verschuldung viel höher als die in der Bilanz ist.
Der Kritiker Wei selbst versucht, Schulden abzubauen – mit Erfolg. So konnte Great Wall seinen Schuldenstand von Ende 2024 bis zum ersten Quartal um zweieinhalb Prozentpunkte auf 61 Prozent reduzieren. Das war jedoch vor dem ruinösen Preiskampf von BYD.
Es ist eine gewagte Wette: Was wäre, wenn BYDs Rechnung nicht aufgeht und die schwächeren Konkurrenten nicht schnell genug vom Markt verschwinden? Dann droht ausgerechnet jene Industrie, die als Symbol für Chinas technologische Überlegenheit und Zukunftsfähigkeit galt, an ihrer eigenen Erfolgsformel zu ersticken.
Was für ein aufschlussreicher Artikel! Es ist wirklich interessant zu sehen, wie BYDs kühne Preisstrategie und die schnelle Expansion den gesamten Elektromarkt verändern. Die Tatsache, dass Autos wie der Seagull zu so wettbewerbsfähigen Preisen erhältlich sind, wirft definitiv einige wichtige Fragen für Automobilhersteller auf der ganzen Welt auf. Könnte dieser Preisdruck zu einer signifikanten Verschiebung in der Branche über China hinaus führen? Ich bin wirklich gespannt, wie die europäischen Marken auf diesen neuen Wettbewerb reagieren werden
Ich sehe da noch ein anderes Problem:
Wenn Automarken vom Markt verschwinden-, was machen dann die ganzen Käufer mit ihren Autos, die eher Computer sind?
Niemand wird sie mehr supporten und es ist anders als früher, wo man noch etwas selbst reparieren konnte.
Ist das alles dann teurer Elektroschrott?
Turbo-Kapitalismus gepaart mit korrupten, machtgierigen und kontrollsüchtigen „Führern“, ist ein Megaspiegel für uns was so alles falsch läuft. Da bläht sich eine Blase nach der anderen in sehr kurzer Zeit auf. Und je größer sie werden, weil versucht wird den „Knall“ zu verhindern, desto größer wird der Knall dann ausfallen.