Eine Wanze am Handgelenk: Warum will Amazon das Startup Bee übernehmen?

Amazon wagt den nächsten Vorstoß in den heiß umkämpften Markt der KI-Wearables – mit einem Device, das deutschen Datenschützer:innen wenig behagen dürfte: Der E-Commerce-Riese will das US-Startup Bee, das ein sprachbasiertes KI-Armband entwickelt hat, übernehmen, wie deren CEO via Linkedin erklärte und Amazon gegenüber US-Medien bestätigt.
Das handliche Gadget, das an ein Fitnessarmband erinnert, hört rund um die Uhr alles mit – und soll dem Träger als persönlicher KI-Assistent zur Seite stehen und aus den gewonnenen Daten Schlüsse ziehen. In den USA wird das Produkt bereits verkauft. Ob das Armband auch nach Deutschland kommt, ist jedoch mehr als fraglich – und das nicht nur aus rechtlichen Gründen.
Das Bee-Armband kostet in den USA rund 50 US-Dollar und verfügt über mehrere integrierte Mikrofone. Diese hören permanent mit, um alle gesprochenen Inhalte zu analysieren. Die aufgenommenen Daten werden von einer lokalen Sprach-KI verarbeitet, die Transkriptionen, Tageszusammenfassungen und sogar Gesprächsanalysen erstellt. Nutzer:innen sollen so eine Art digitales Gedächtnis für ihren Alltag bekommen – inklusive Erinnerungen, To-do-Listen und Meeting-Zusammenfassungen. Unterstützt werden derzeit 40 Sprachen, darunter auch Deutsch.
Ein LED-Signal zeigt an, wenn das Gerät aktiv aufzeichnet. Geladen wird das Device über einen USB-Anschluss an der Rückseite. Die Entwickler:innen versichern, dass keine Audio-Dateien gespeichert werden und alle Berechnungen auf dem Gerät selbst erfolgen – eine einfache Edge-KI-Anwendung also. Datenschützer sehen dennoch erheblichen Diskussionsbedarf, gerade im europäischen Raum.
Kommt jetzt Amazons Comeback im Wearable-Markt?
Strittig ist neben der Frage, ob man sein gesamtes Leben auswerten und belauschen lassen will, aber auch, inwieweit ein solches Gerät arbeitsrechtliche Konsequenzen haben könnte. Denn natürlich ist es nicht nur in besonders vertraulichen Arbeitsumfeldern weder im Sinne der Kolleg:innen noch der Vorgesetzten oder gar Kund:innen, wenn permanent mitgeschnitten wird. Immerhin sollen sich die Mikrofone jederzeit ausschalten lassen, ähnlich wie wir das von Alexa-Geräten kennen – ein eher schwacher Trost.
Mit dem Kauf von Bee meldet sich Amazon überraschend im Markt für tragbare Technik zurück. Denn erst 2023 hatte das Unternehmen seine eigene Produktlinie „Halo“ eingestellt, die vor allem auf Fitness- und Gesundheitsdaten setzte. Nun kehrt Amazon mit einem Fokus auf Künstliche Intelligenz zurück – und das mit einem starken Akzent auf Sprache, Erinnerungsfunktion und Alltagsassistenz. All das passt aber auch in den Kontext der Echo-Geräte und der neuen Alexa-Plattform, für die Amazon bekanntermaßen nach neuen Anwendungsszenarien sucht. Je besser das Unternehmen seine Kund:innen kennt, umso passgenauer kann es diese unterstützen.
Gleichzeitig ist Amazon hierbei in Zugzwang, denn Mitbewerber:innen wie Apple (mit der Apple Watch Ultra und KI-Features) sowie Meta (Ray-Ban Smart Glasses mit Meta AI) preschen in den Markt der persönlichen Assistenten vor. Die Übernahme von Bee verschafft Amazon nun Know-how und ein bereits funktionierendes Produkt – klingt zumindest in technischer Hinsicht ideal, um die eigene Sprach-KI weiterzuentwickeln und vielleicht neue Hardware-Ansätze zu testen.
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Deutscher Markt: Viel Skepsis, wenig Spielraum
All das dürfte allerdings für Europa und speziell für den Markt in Deutschland wenig Chancen haben. Zudem stellt sich die Frage, ob ein solcher Assistent, der den ganzen Tag mithört, überhaupt datenschutzkonform funktionieren kann (mal ganz abgesehen von der persönlichen Akzeptanz durch die Kund:innen). Ziemlich sicher ist, dass man in vielen Fällen seine Mitmenschen vor der Aufzeichnung um Erlaubnis fragen müsste, weil die permanente Aufnahmefunktion tief in die Persönlichkeitsrechte eingreift, auch wenn keine Audiodaten permanent gespeichert werden sollen.
Anders als in den USA, wo das Datenschutzrecht nicht nur in dieser Hinsicht deutlich weniger strikt ist, müsste Amazon in der EU – ähnlich wie bei seinen Ring- und Alexa-Anwendungen – umfassende Transparenz- und Kontrollfunktionen integrieren. Doch das allein würde kaum genügen, um etwa eine DSGVO-konforme Zulassung zu erhalten. Interessant wäre auch, inwieweit ein solches Tool mit dem neuen EU Data Act in Einklang zu bringen ist, da Amazon diese gewonnenen Daten ja dann zumindest auf Anfrage auch anderen Unternehmen zur Verfügung stellen müsste.
Dabei ist aber ohnehin auch nicht klar, was Amazon eigentlich an Bee reizt: das Produkt selbst, das man weiterentwickeln und an Amazons Befindlichkeiten und Dienstleistungen anpassen könnte oder eher das Know-how des Unternehmens, das sicherlich auch im Alexa-Kontext hilfreich sein könnte. Denn Bee passt zu Amazon sowohl beim Kundenservice und im Warenvertrieb, könnte aber auch in Richtung Agentic AI, bei Gesprächsnotizen in Meetings und auch für kontextbasierte Einkaufsempfehlungen taugen.
Unterm Strich wird ein solches Gerät, das im scharfem Kontrast zu den europäischen Datenschutzvorstellungen steht, für viel Zündstoff sorgen. Schon bei der Einführung von Amazons Sprachassistentin Alexa gab es in Deutschland wiederholt Kritik, vor allem wegen intransparenter Datenverarbeitung und schlechter Löschoptionen. Allerdings zeigt die Akquisition auch, dass Amazon weiterhin das Zusammenspiel von KI, Alltag und Wearables plant.