Frustrierte Mitarbeiter? Warum wir sie nicht im Stich lassen sollten

Das ganze Jahr lang setzte meine Freundin sich als Einzelkämpferin für ein Projekt mit Öffentlichkeitswirkung ein – und am Ende bekam sie keine Leistungszulage. Ein Bekannter bekam mitten in einer Entlassungswelle plötzlich immer mehr Aufgaben zugewiesen – ohne zu wissen, ob er selbst auf der Liste der Kündigungen stand. Ein Dritter schrieb drei Jahre lang Berichte für die Dokumentation seiner Behörde. Einmal sagte er: „Die wird niemals jemand lesen.“
Frustration gehört zum Arbeitsleben dazu. Manchmal ist sie unfair, manchmal sind die Umstände nicht zu ändern, manchmal sind sie etwas zwischen Planungsfehlern und Bürokratiemonstern. Diese negativen Erfahrungen des Alltags wirken sich dabei auf alle Lebensbereiche aus, schreibt ein Forschungsteam um die Arbeitspsychologin Evie Michailidis im Fachmagazin „Work & Stress“.
Frustration im Job nervt auch überall sonst
Für ihre Untersuchung ließen sie 71 Angestellte, vorwiegend aus den Bereichen Accounting und Finance, ein Tagebuch führen und werteten diese dann aus. Sie beobachteten insbesondere Gefühle der Verbitterung in Zusammenhang mit vermeintlich unnötigen Aufgaben. Umgekehrt fragten sie aber auch ab, wie sehr sich die Angestellten wertgeschätzt fühlten.
Sie beobachteten: Unerfreuliche Arbeitsbelastungen nehmen die Menschen mit in andere Jobaufgaben, aber auch mit nach Hause. Sie grübeln mehr, negative Gefühle und ihre Ursachen bleiben immer präsent. Es fällt ihnen schwerer, sich gedanklich von ihrer Arbeit zu lösen, und sie können sich von Stress nicht mehr so gut erholen – was den Umgang mit neuen, ebenfalls frustrierenden Alltagsereignissen schwieriger macht.
Versicherung gegen Verbitterung: Wertschätzung
Das Forschungsteam stellte aber auch fest, dass die Wertschätzung von Kolleginnen und Kollegen, sowie von Führungskräften, die negativen Gefühle deutlich pufferte. Diese Form von smartem Zusammenhalt ist wichtig, weil nicht jede Frustration im Berufsalltag vermeidbar ist.
Dokumentationspflichten müssen eingehalten werden, hohe Arbeitsbelastung ist gerade in unsicheren Zeiten nicht zu vermeiden und wenn eine Leistungsprämie an eine bestimmte Quote von Mitarbeitenden gezahlt wird, wie es meiner Freundin ergangen ist, dann ist man selbst möglicherweise auch mal nicht auf der Liste, Engagement hin oder her.
Das Team von Arbeitspsychologen empfiehlt Unternehmen deshalb, Wertschätzung und das Zeigen echter Dankbarkeit gezielt zu fördern. Die Verbitterung wird sonst dynamisch: Es beginnt mit einem Auslöser, dann beeinflusst sich alles gegenseitig. Und darunter leidet die Leistung. Fluktuation wird wahrscheinlicher.
Das bedeutet: Wer sich nicht die Zeit für Wertschätzung nimmt, zahlt am Ende darauf. Mit viel Zeit, Energie und Geld, um frustrierte Mitarbeitende durch neue zu ersetzen.
Der unterschätzte Performance-Boost
„Wenn sich niemand beklagt, dann war es gut“, ist ein Satz, der gerade jungen Angestellten häufig gesagt wird. Und so funktioniert auf Leistung ausgelegte Führung einfach nicht. Auch großangelegte Studien belegen den Wert von Anerkennung und Fairness als Führungsinstrumente, gerade in Zeiten, in denen die Arbeitsbelastung hoch ist und eine Angst mitschwingt, durch neue Technologien ersetzt zu werden.
Wertschätzende Führung gilt in der Forschung als mit einer Steigerung von Resilienz-Merkmalen im Team verbunden, ebenso mit höherem Arbeitseinsatz.
Im Joballtag bedeutet das: Wer als Führungskraft gezwungen ist, seine Mitarbeitenden zu belasten oder ihnen Belohnungen zu versagen, der darf sich genau in diesem Moment nicht wegducken. Manchmal ist es die Offenheit – „Das hier läuft gerade nicht fair und wir sehen das auch“ –, die echte Wertschätzung erst ermöglicht. Auch Team-Mitglieder sollten sich nicht der Versuchung erlegen, frustrierte Kolleg:innen in ihrem Saft schmoren zu lassen.
Gerade jetzt kann es sich lohnen, mit kleinen Signalen der Anerkennung zu zeigen, dass die Person noch immer wertvoll ist. Denn genau das Gefühl kann bei einer Mischung aus Frustration und Leistungsdruck verloren gehen.