Fusionsenergie im All: Pulsar Fusion will Reisezeit zum Mars halbieren

Das Unternehmen Pulsar Fusion mit Sitz im britischen Bletchley entwickelt derzeit eine nukleare Fusionsrakete, die die Reisezeit zum Mars drastisch verkürzen soll. Der sogenannte Sunbird-Antrieb basiert auf demselben physikalischen Prinzip, das auch Sterne antreibt – der Kernfusion. Anders als bei bisherigen Experimenten soll die Reaktion allerdings direkt im All erfolgen.
Pulsar Fusion: Das Weltall ist die Heimat der Fusionsenergie
Die Entwickler:innen sehen genau darin ihren Vorteil. „Fusion will im All passieren, nicht auf der Erde“, sagt Pulsar-Fusion-Chef Richard Dinan im Gespräch mit dem US-Nachrichtensender CNN. Auf der Erde sei die Umgebung dafür ungeeignet, weil Fusion nur unter extrem aufwendigen, künstlich geschaffenen Bedingungen möglich sei. Im All, so Dinan, seien die Voraussetzungen deutlich günstiger.
Bei der Kernfusion verschmelzen leichte Atomkerne, typischerweise Isotope von Wasserstoff wie Deuterium und Tritium, zu schwereren Kernen wie Helium. Dabei wird eine enorme Energiemenge freigesetzt. Es handelt sich um den gleichen Prozess, der auch in der Sonne abläuft. Im Gegensatz zur Kernspaltung entsteht dabei allerdings kaum langlebiger radioaktiver Abfall, und das Risiko schwerer Unfälle ist deutlich geringer.
Die Forschung an Fusionsreaktoren hat in den vergangenen Jahren bedeutende Fortschritte gemacht. So konnte der chinesische Experimentalreaktor EAST im Januar 2025 Plasma fast 18 Minuten lang stabil halten. Dieser neue Weltrekord hatte jedoch nur kurz Bestand, denn bereits im Februar übertraf der französische Tokamak WEST diese Marke mit über 22 Minuten stabiler Plasmazündung.
Weiterhin steht die kommerzielle Nutzung der Kernfusion vor großen Herausforderungen, insbesondere was die Stabilität der Reaktionen und die Wirtschaftlichkeit der Technologie betrifft. Unter Physiker:innen kursiert dazu seit Jahrzehnten ein Spruch: „Kernfusion ist 20 Jahre in der Zukunft – und wird es immer sein.“
Fusionspower mit Alien-Vibes – die Sunbird-Rakete
Die Pläne von Pulsar Fusion wirken dabei nicht nur visionär, sondern laut einem Bericht von Live Science auch geradezu außerirdisch. Die Sunbird-Rakete soll futuristisch gepanzert und rund 30 Meter lang sein. Angetrieben werden soll sie mit helium-3 – einem extrem seltenen Isotop, das auf der Erde kaum verfügbar ist.
Dabei ist helium-3 nicht das Endprodukt einer Fusionsreaktion, sondern selbst Teil des Treibstoffs. In Kombination mit Deuterium soll es in der Sunbird-Rakete verschmolzen werden und dabei primär Protonen freisetzen. Diese „nukleare Abgasstrahlung“ soll den Antrieb ermöglichen. Das wäre effizienter und sauberer als herkömmliche Fusionsreaktionen, die meist energiereiche Neutronen erzeugen. Langfristig ist angedacht, helium-3 aus dem Mondregolith zu erzeugen.
Das nächste Entwicklungsziel des britischen Startups ist ein sogenannter linearer Fusionsversuch, der die wichtigsten Technologien validieren soll. Wenn alles klappt, könnte in vier bis fünf Jahren ein funktionierendes Modell zur Verfügung stehen – ein sportlicher Zeitplan angesichts der hohen Kosten und der nach wie vor theoretischen Grundlage.
Ambitionierte Zukunftsvision: Marsstationen und Schleppraketen im All
Langfristig will das Unternehmen aus Bletchley ein Netzwerk orbitaler Andockstationen aufbauen. Dort sollen die Sunbird-Raketen gelagert werden, bis sie gebraucht werden – etwa, um sich an Raumfahrzeuge zu koppeln und diese wie gigantische „Weltraumschlepper“ in Richtung Mars zu beschleunigen.
Die Idee: Statt ganze Missionen mit chemischem Treibstoff auszustatten, übernehmen Sunbirds den energiefressenden Ferntransport – effizienter, schneller und potenziell kostensparend. Damit wäre die Verkürzung der Reisezeit zum Mars um etwa die Hälfte möglich. Eine Reise zum Roten Planeten dauerte bislang je nach Umlauf zwischen sieben und neun Monaten.
Noch ist alles pure Theorie
Trotz der kühnen Visionen ist der Sunbird bisher nicht mehr als ein Konzept. Ob es Pulsar Fusion gelingt, tatsächlich eine kontrollierte Fusionsreaktion im All zu zünden, bleibt abzuwarten. Für 2027 ist ein Test im niedrigen Erdorbit geplant, zuvor soll ein Versuch in zwei riesigen Vakuumkammern auf der Erde stattfinden. Dass ein Startup aus dem Vereinigten Königreich der bemannten Raumfahrt einen Schub verpassen könnte, wäre jedenfalls ein Überraschungserfolg.
Doch Richard Dinan ist überzeugt: „Wenn wir die Spezies sein wollen, die tatsächlich andere Planeten erreicht, dann ist die Ausströmgeschwindigkeit das entscheidende Kriterium. Und was diese betrifft, ist Fusion unschlagbar.“
Zur Erläuterung: Die Ausströmgeschwindigkeit bezeichnet, wie schnell ein Antrieb Teilchen ins All schleudert. Je höher diese Geschwindigkeit ist, desto effizienter kann ein Raumschiff beschleunigen. Konventionelle chemische Raketen stoßen heiße Gase aus, Fusionsantriebe könnten theoretisch geladene Teilchen mit einem Vielfachen dieser Geschwindigkeit freisetzen – und damit deutlich schneller durch das All fliegen.