Hat Crypto ein Usability-Problem?

Im heutigen Pro-Briefing geht es um Usability-Probleme im Web3. Den Impuls gab die Geschichte um Opensea und die Ende Januar entdeckte Möglichkeit, dort NFT für einen Bruchteil ihres Preises zu erwerben. Am 24. Januar twitterte ein Opensea-Nutzer, sein Bored-Apes-NFT sei gegen seinen Willen für nur 0,77 ETH – das sind umgerechnet etwa 1.750 US-Dollar – verkauft und anschließend für ein vielfaches, nämlich fast 84,2 ETH – das entspricht 190.000 Dollar – weiterverkauft worden. [twitter 1485523608407400450] Opensea ist ein Peer-to-Peer-Marketplace für sogenannte Non-Fungible Token oder NFT. Nutzer:innen melden sich an und verkaufen sie sich gegenseitig. Im Grunde ist Opensea ein zentralisierter Dienst, der zwar mit Ethereum-Blockchain-Token arbeitet, sich aber auf Datenbanken stützt. Viele der Vorgänge auf Opensea passieren offenbar intern und zentralisiert, wie auf einer normalen Website. Genau zwischen der zentralisierten Natur des Marketplace und der Dezentralität der zugrundeliegenden Token bot sich hier eine Lücke und damit die Möglichkeit, besagten NFT für einen niedrigeren Preis zu verkaufen. Opensea ist ein zentralisierter Dienst Wie das passieren konnte? Opensea ist wie gesagt eine normale, zentralisierte Website. Alles, was mit Ethereum gemacht wird, ist extrem energieaufwendig und kostet damit eine Menge Geld. Weil es für Opensea nicht wirtschaftlich wäre, alles auf der Blockchain auszuführen, werden viele der Vorgänge auf Opensea einfach zentral im Backend ausgeführt, wie bei einer normalen Website eben. Listen kann man NFT auf Opensea offenbar gebührenfrei, aber um ein Listing zu widerrufen, wird eine sogenannte Gas-Fee – eine Gebühr für den Energieaufwand dieses Vorgangs auf der Blockchain – fällig. Wird ein Listing nicht entfernt, ist es weiterhin existent und kann über Openseas API von anderen Marktplätzen wie beispielsweise Rarible ausgelesen werden. Der bloße Transfer zu einer anderen Wallet entfernt das Listing nicht. Um es zu entfernen, müssen Nutzer:innen quasi eine Nachricht an die Blockchain senden, wofür besagte Gas-Fee anfällt. Ansonsten ist es immer noch in der Datenbank off-Chain vorhanden und auch abrufbar, auch wenn es mit dem Transfer visuell von Openseas Marktplatz verschwindet: [twitter 1485559872242565121] So geschehen offenbar bei dem unglücksseligen Twitter-Nutzer. Er hat seinen gestohlenen Affen offenbar am 6. Mai für den Preis von 0,77 ETH auf Opensea gelistet, dann transferiert und das Listing nicht von der Blockchain storniert, was aber nötig ist, um unmissverständlich festzuhalten, dass er sein früheres Angebot zurückzieht. Möglicherweise hat er es vergessen, oder er hatte einfach keine Lust, die dafür anfallende Gas-Fee zu bezahlen, weil ihm die Konsequenzen offensichtlich nicht klar waren. Jemand hat das günstige Listing gefunden und das NFT ganz einfach zum Schnäppchenpreis gekauft. Ein Blockchain-inherentes Problem Opensea sagte in einem Statement gegenüber Vice, dass das Problem ernst genommen werde und man bereits an Produktlösungen für die Community arbeite. Es handele sich hierbei jedoch nicht um eine Sicherheitslücke, sondern um ein Problem, das aufgrund der Natur der Blockchain entstehe. Angebote im Namen der Nutzer:innen zu stornieren, sei Opensea nicht möglich, das müssten diese selbst tun. Jedoch arbeite man an Lösungen wie beispielsweise einem Dashboard, um Nutzer:innen künftig auf alle ihre Angebote aufmerksam zu machen, um solche Vorkommnisse künftig zu verhindern. [crosslinks ids="1356849,1441951"] Zu(?) viel Eigenverantwortlichkeit Aus UX-Sicht bemerkenswert ist, wie viel Eigenverantwortung der Marktplatz von den User:innen erwartet hat. Es ist zwar nicht so, dass Opensea seine Nutzer:innen auf diese Dinge nicht hingewiesen hätte, allerdings war der Hinweis offenbar nicht besonders klar, wie die geschilderten Vorkommnisse zeigen. Auch mit den angekündigten Produktverbesserungen wird die Awareness für diese mit der Funktionsweise der Blockchain einhergehende potenzielle Lücke zwar mit Sicherheit größer, ausgeräumt ist die Möglichkeit jedoch nicht, dass jemand aus Versehen etwas falsch macht und deshalb einfach so eine Menge Geld verliert.