In dieser Faser steckt ein Computer und der erkennt, wenn du Kniebeuge machst

Wearables sind äußerst beliebt – und sie werden immer besser. Aktuelle Smartwatches können längst nicht nur den Puls der Trägerinnen und Träger messen, sondern auch die Sauerstoffsättigung im Blut oder die arteriell Gefäßsteifigkeit. Auch die jüngste Generation smarter Ringe und Brillen trumpft mit Funktionen, die vor einigen Jahren noch undenkbar schienen.
Und doch haben aktuelle Wearables einen Nachteil: Sie sind nur an einem einzelnen Punkt, etwa einem Finger oder dem Handgelenk, mit dem Körper verbunden. Um dessen Funktionen, Gesundheitsdaten und Bewegungen noch besser aufzeichnen zu können, bedarf es anderer, ganzheitlicher Ansätze. Das glauben jedenfalls Forscherinnen und Forscher des MIT. Sie haben eine Textilfaser entwickelt, in die ein Computer eingewebt ist, inklusive Sensoren, LEDs, Mikrocontroller, Speicher, Akkus und Bluetooth. Sogar Apps sollen auf ihm laufen.
Wearables: Warum bisher viele Körperdaten nicht erfasst werden
„Unser Körper sendet jede Sekunde unzählige Daten in Form von Wärme, Schall, biochemischen Stoffen, elektrischen Potenzialen und Licht über die Haut aus, die alle Informationen über unsere Aktivitäten, Gefühle und Gesundheit enthalten. Leider wird das meiste absorbiert und geht dann in der Kleidung, die wir tragen, verloren“, sagt der Materialwissenschaftler Yoel Fink, der mit seinem Team seit mehreren Jahren an tragbaren Computern arbeitet. „Wäre es nicht toll, wenn wir der Kleidung beibringen könnten, diese wichtigen Informationen zu erfassen und weiterzugeben?“
Die entsprechende und von unabhängigen Expertinnen und Experten überprüfte Studie ist vor kurzem im Fachmagazin Nature erschienen. Darin beschreibt das Team einen Fasercomputer, der gerade einmal fünf Gramm wiegt, sich bis zu 60 Prozent dehnen kann, über sechs Stunden Akkulaufzeit verfügt und außerdem einen Ritt in der Waschmaschine überlebt. Die Arbeit baut auf früheren Studien des Teams auf. Bereits 2021 gelang es der Arbeitsgruppe, die erste in ein Hemd eingenähte Faser zu entwickeln, die in der Lage war, die körperliche Aktivität einer Person digital zu erfassen.
Vorbild Sushirolle: Flexible Schaltkreise und eingerollte Module
Eine der größten Herausforderungen in der Entwicklung bestand bislang darin, die planen, also flachen elektronischen Bauteile und Schaltkreise mit der zylindrischen Form von Textilfasern zu verbinden, ohne dass sie bei Druck kaputtgehen. In der aktuellen Studie lösen die Forscher das Problem, indem sie flexible Schaltkreise nehmen und diese um die jeweiligen Module herum falten. Das Prinzip ist mit einer Sushirolle zu vergleichen, weshalb sie es auch „Maki“-Design getauft haben. Ein „eingerolltes“ Modul ist gerade einmal einen Millimeter groß.
Die Faser selbst entsteht durch ein thermisches Ziehverfahren (thermal drawing): Der Computer mit seinen verschiedenen Bauteilen und Modulen wird zunächst in einer makroskopischen Vorform auf einem wasserfesten und dehnbaren Kunststoff gefertigt. Diese wird dann in einem Ofen erhitzt, bis sie anfängt, flexibel zu werden. In diesem Moment wird sie in die Länge gezogen und es entsteht eine mehrere Meter lange Faser, die sämtliche Bauteile und Verbindungskabel enthält. Der Fasercomputer wird anschließend noch mit geflochtenen traditionellen Garnen, also etwa Polyester, Wolle, Nylon oder Seide, umhüllt und kann dann in Kleidung eingewebt werden.
Die US-Armee testet den Fasercomputer in der Arktis
Um die Funktionsfähigkeit zu testen, wurde die Faser für die Studie sowohl in Oberteile als auch Leggings eingearbeitet, sodass insgesamt für jeden Arm und jedes Bein jeweils ein Fasercomputer zum Einsatz kam. Jeder davon war dank verschiedener Sensoren in der Lage, Gesundheits- und Bewegungsdaten zu erfassen. Außerdem war jede Faser mit einem eigenen neuronalen Netz ausgestattet, das darauf trainiert war, bestimmte Bewegungen zu erkennen, etwa Kniebeugen oder kreisende Arme.

Mathew Hefner, US-Armeemajor und Kommandeur der Musk Ox II-Mission in der Arktis, trainiert in Norwegen mit einem Faser-Computer-Unterhemd, das Echtzeitinformationen über seinen Gesundheitszustand und seine Aktivität liefert.(Foto: US Army Cold Regions Research and Engineering Lab)
In durchschnittlich 70 Prozent der Fälle konnten die individuellen Fasern die entsprechende Aktivität korrekt identifizieren. Noch besser war die Erfolgsquote, wenn die vier smarten Fasern im Verbund arbeiteten, also Informationen untereinander austauschten und sich abstimmten, was durch die integrierte, drahtlose Kommunikation möglich war. Dann stieg die korrekte Bestimmung der Aktivität auf 90 Prozent. „Das zeigt, wie wichtig es ist, die Messung an mehreren Körperstellen durchzuführen“, sagt Yoel Fink.
Der MIT-Forscher und sein Team glauben, dass Fortschritte in der Nanofabrikation künftig dafür genutzt werden könnten, um eine neue Generation von Wearables zu ermöglichen, die noch einmal mehr und vor allem noch genauer Gesundheits- und Aktivitätsdaten tracken kann. Wie sich die neuartige Faser tatsächlich im Alltag schlägt, testen derzeit Mitarbeiter der US-Armee. Während einer einmonatigen Expedition in der Arktis tragen sie Funktionswäsche, in die der textile Computer eingewebt ist. Dieser soll rund um die Uhr Einblicke in den Gesundheitszustand und die Aktivität der Teilnehmenden geben.