CEOs von Salesforce und Google geben mit der Effizienz von KI an: Doch wie viel Arbeit übernimmt sie tatsächlich?

Wenn Sundar Pichai erklärt, dass KI in seinem Unternehmen KI über 30 Prozent des neuen Codes schreibe, ist der Google-CEO in guter Gesellschaft. Auch bei Microsoft werde einem Bericht von Business Insider zufolge zumindest bei manchen neuen Projekten zwischen 20 und 30 Prozent der Codezeilen von der Technologie beigesteuert. Die Angaben gehen auf Aussagen von Microsoft-Chef Satya Nadella zurück. Salesforce-CEO Marc Benioff ging in einem Interview mit Bloomberg sogar noch weiter. Bis zu 50 Prozent der Arbeit in Bereichen wie Service, Entwicklung und Coding soll KI erledigen. Mark Zuckerberg, Gründer und Chef von Meta, geht ebenfalls davon aus, dass die Technologie ab 2026 die Hälfte der Entwicklungsarbeit übernimmt.
Wie das Magazin Fortune herausstellt, sind solche Zahlen bei Investor:innen gern gehört, denn sie suggerieren, dass Unternehmen effizient arbeiten und Kosten einsparen. Kund:innen der Unternehmen dürften die Meldungen ebenfalls mit Interesse verfolgen. Um den Anschluss nicht zu verlieren, gilt es jetzt schließlich zu investieren.
Was bedeuten die KI-Zahlen für die Realität?
Allerdings bleibt in vielen Fällen auch offen, wie genau die Zahlen zur KI-Nutzung zustande kommen. Gegenüber Fortune wollten sich Sprecher:innen von Microsoft, Google oder Salesforce nicht zu Details darüber äußern, worauf die Kalkulationen basieren oder wie die Arbeit definiert wird. „Zählen wir Codezeilen, erledigte Aufgaben, eingesparte Stunden oder beeinflusste Geschäftsergebnisse?“, wird Malvika Jethmalani von der Bertungsfirma Atvis Group dazu zitiert. Die Wahrheit sei, dass man noch kein gängiges Framework für die Messung des Anteils von KI habe, so Jethmalani.
Ein Beispiel dafür ist die Angabe von Sundar Pichai. Schließlich ist es ein Unterschied, ob es sich bei den 30 Prozent um Code handelt, bei dem es aber Teile nicht ins Endprodukt schaffen, um reine Codezeilen oder von Entwickler:innen schlussendlich eingereichten Code. Benioff bleibt im Bloomberg-Interview ebenfalls unkonkret. Er spricht von einer “digitalen Arbeitsrevolution”, dabei handle es sich um alles “von KI-Agenten bis zu Robotern”.
Obwohl die Angaben vage bleiben, können sich die Zahlen auf den Arbeitsalltag auswirken. Sie betreffen in vielen Fällen die Belegschaft. Der Arbeitspsychologe Marais Bester hält die Kommunikation der Unternehmen aus einem wirtschaftspsychologischen Standpunkt heraus deswegen für schlechte Führung. „Ich denke, es ist auch eine Art Indikator für die Mitarbeiter, der ihnen sagt, dass sie besser aufpassen und mehr Leistung bringen sollten”, sagt er gegenüber Fortune.
Übernimmt KI in Zukunft komplett?
Dass die daraus entstehenden Sorgen um die Jobsicherheit nicht unbegründet sind, zeigt ein aktuelles Beispiel. Microsoft streicht trotz Milliardengewinn derzeit 9.000 Stellen, auch, weil eben so viel Arbeit an künstliche Intelligenz ausgelagert wird. Ein Einzelfall bleibt das wohl nicht. Amazon-Chef Andy Jassy sagte etwa gegenüber CNBC schon voraus, dass der Versandhändler durch den Einsatz von KI eines Tages weniger Mitarbeiter:innen brauche.
Offen bleibt, ob das Vorgehen wirklich nachhaltig ist. Beim Marktforschungsinstitut Gartner geht man zumindest davon aus, dass bis 2027 40 Prozent der Projekte rund um KI-Agenten wieder eingestellt werden. KI-Agenten sind dazu in der Lage, Aufgaben selbstständig zu erledigen und damit prädestiniert, um menschliche Mitarbeiter:innen zu ersetzen. Derzeit handle es sich bei den agentenbasierten Projekten jedoch um “Experimente im Frühstadium oder Proof-of-Concepts, die meist von einem Hype angetrieben und oft falsch angewandt werden”, wie Senior Director Analyst Anushree Verma sagt.
Ganz abgesehen davon, dass Unternehmen derzeit viele Anwendungen zu KI-Agenten erklären, die in Wahrheit keine sind, geht man bei Gartner allerdings schon davon aus, dass die Technologie in Zukunft Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben wird. Allerdings in deutlich kleinerem Umfang als die kommunizierten Zahlen der großen Unternehmen vermuten lassen. Der Prognose zufolge sollen bis 2028 15 Prozent der täglichen Arbeitsentscheidungen autonom durch KI-Agenten getroffen werden und 33 Prozent der Unternehmenssoftware agentenbasierte Software enthalten.
Derzeit rät das Marktforschungsinstitut Unternehmen jedoch dazu, KI-Agenten nur in Bereichen einzusetzen, in denen die Aussicht besteht, Investitionen in die Technologie durch Ergebnisse auch wieder hereinzuholen. In vielen Fällen sei der ideale Weg zur Implementierung von agentenbasierter Software außerdem das Überdenken von Arbeitsabläufen von Grund auf. Das klingt zumindest so, als könnte es ohne Menschen nicht funktionieren.
Das sieht auch Shonna Waters so. Gegenüber Forbes erklärt die Organisationspsychologin und Chefin des Beratungsunternehmens Fractional Insights, dass Unternehmen mit der Diskrepanz zwischen dem, was Führungskräfte über KI sagen, und dem, was tatsächlich in der Praxis passiert, umgehen müssten. So seien CEOs oft optimistischer als die Belegschaft, was den Einsatz von KI angehe. Für Waters ist klar, dass die Unternehmen am Ende erfolgreich sein werden, die bei der Entwicklung der Systeme Mitarbeiter:innen einbeziehen. Schließlich müssten “Menschen immer noch diejenigen sein, die die KI tatsächlich übernehmen”, so Waters.
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