Marketing auf Linkedin: „Die wenigsten Teams nehmen den Hörer in die Hand”

B2B-SaaS-Tools schießen wie Pilze aus dem Boden. Allein im Marketing gibt es Tools um Strategie, kanalübergreifende Planung und Verteilung, Attributionen und Reportings und mehr zu optimieren. Die Zeiten, in denen ein Tool wie SAP im Alleingang zum Marktführer wird, sind vorbei. Heute müssen die Anbieter mit steigender Konkurrenz kämpfen und verstehen, dass sich der Vertrieb vom Seller-Led-Sales zum Buyer-Led-Sales gedreht hat.
Tim Rath, Co-Founder der Performance-Agentur Yoyaba, erklärt: Wie schaffe ich ein erfolgreiches Linkedin-Marketing für B2b-SaaS-Tools?
B2B-SaaS: Andere Customer-Journey
Software-as-a-Service unterscheidet sich vor allem in drei Punkten von anderen Produkten oder Branchen: Erstens gibt es kein Produkt zum Anfassen. Das macht es schwerer, es in Anzeigen zu bewerben. Zweitens gibt es keinen Kauf, sondern ein Abonnement. Statt einmal einen größeren Betrag für ein spezifisches Produkt auszugeben, das dann zum Eigentum wird, mieten die Kund:innen den Service für einen bestimmten Zeitraum, der erneuert werden muss.
Drittens gibt es eine enorm lange Phase bis zur Conversion – und darüber hinaus. Denn besonders im B2B-Bereich sind viele Personen am Entscheidungsprozess beteiligt, die verschiedene Prioritäten haben und sich jeweils informieren und Alternativen abwägen. Die Menschen sollen überzeugt werden, ihr Abonnement zu verlängern und mit weiteren Funktionen zu erweitern. Dementsprechend müssen auch Bestandskund:innen nach dem ersten Deal kontinuierlich bespielt beziehungsweise betreut werden.
Linkedin als Plattform
Von B2B-Marketing zu Personal Branding: Linkedin gilt wegen des präzisen Targetings als Plattform für Business-Belange. Für B2B-SaaS-Marketing können Menschen in ihren spezifischen Positionen targetiert werden. Tendenziell ist der Streuverlust geringer.
Das macht Werbung auf Linkedin enorm teuer. Nicht für alle lohnt es sich deshalb, das Geld für Anzeigen in die Hand zu nehmen. Für Rath gilt: „Unter 10.000 Euro Customer-Lifetime-Value sollte man in der Regel nicht anfangen, auf Linkedin zu werben. Da erreichst du nur sehr schwer einen positiven Return on Investment.“
Für organische Posts gilt das natürlich nicht – da kann Linkedin jederzeit bespielt werden.
Recherche als Flywheel statt Einzeltask
„Wenn ich auf Linkedin Kampagnen sehe, kann ich dir direkt sagen, ob die Research gemacht haben oder nicht“, sagt Rath. Ist die Anzeige generisch, kann der Markenname gegen den der Konkurrenz ausgetauscht werden. Research heißt: verstehen, wer das Produkt eigentlich abonniert und was dessen wirklichen Probleme sind. Das bedeutet: ohne ausführliche Recherche keine erfolgreiche Kampagne.
Rath empfiehlt, Abonnent:innen nach Vertragsabschluss zu fragen, wie sie auf das Unternehmen aufmerksam geworden sind und was sie überzeugt hat, eine Demo anzufordern oder das Tool zu abonnieren. „Wir haben viel zu großen Wert gelegt auf unsere ganzen Software-Attribution-Tools, die so nicht funktionieren.“
Aussagekräftiger ist die Self-Reported-Attribution, also wenn Menschen selbst angeben, welche Maßnahmen am besten gewirkt haben. Dafür braucht es beispielsweise Formularfelder im Vertragsabschluss oder Interviews. So können sie außerdem gut zu ihren Pain-Points befragt werden. Auch dafür eignen sich Interviews, im Gegenzug können Preisnachlässe oder ein befristeter Zugang zu besonderen Features angeboten werden.
Unternehmen recherchieren ihre Zielgruppe, so Rath, viel zu selten. „Sie denken, sie machen das einmal und dann haben sie es ja für immer.“ Stattdessen sollte Research unbedingt als Flywheel betrachtet werden statt als Aufgabe, die alle zehn Jahre ansteht. In diesen Prozess sollten auch Abteilungen wie Sales, Product oder Customer-Support eingebunden werden.
„Leider schaffen die wenigsten Marketing-Teams, den Hörer in die Hand zu nehmen.“ In einem persönlichen Gespräch kann spezifischer nachgefragt werden – in Umfragen geben die Leute meist nur den ersten Grund ein, der ihnen einfällt, wie „Umsatz steigern“. Alle Unternehmen wollen ihren Umsatz steigern, diese Antwort hilft dir nicht. Fragst du drei-, viermal nach, kommt vielleicht der wahre Pain-Point zum Vorschein – beispielsweise dass ein bestimmter Prozess totales Chaos und null effizient ist. Am Ende der Recherche sollte eine aussagekräftig ausgefülltes Value-Proposition-Canvas stehen.
Unternehmen priorisieren Research meist falsch. „Die Ausrede kommt oft: Wir haben nicht die Zeit. Dann machst du schnell eine Kampagne, auf die wirfst du jeden Monat 100.000 Euro. Macht es nicht Sinn, vielleicht eine Woche später zu starten und diese 100.000 Euro doppelt so effizient und effektiv auszuspielen?“
Ein Research-Flywheel würde auch Veränderungen in den Prioritäten schneller erfassen. „Jedes Unternehmen sollte zur jetzigen Zeit das Messaging updaten, weil die Probleme, die Unternehmen jetzt haben, sind komplett anders als vor einem halben Jahr oder vor einem Jahr“, sagt Rath – ein Research-Flywheel würde darauf hinweisen und mit Daten zu einer schnelleren Anpassung führen.
Zielgruppen spezifisch ansprechen
Normalerweise gibt es eine Persona, die angesprochen wird – im Lebensmittelbereich zum Beispiel eine Familienmutter, die Wocheneinkäufe erledigt und auf das Preis-Leistungs-Verhältnis achtet. Bei B2B-SaaS gibt es diverse Entscheider:innen, die einen unterschiedlichen Fokus haben. Ein Tool kann beispielsweise nicht abonniert werden, ohne dass die Operativen zustimmen, die es täglich nutzen, ein CFO den Preis absegnet und es Datenschutzbeauftragte geprüft haben. Es muss zum bestehenden Tech-Stack passen, im Zweifel wird dafür ein CTO herangezogen. Wenn du diese Personen schon einzeln auf Linkedin targeten kannst, dann nutze auch verschiedene Creatives, um ihre einzelnen Pain-Points zu adressieren.
„Jede Person – und das ist superwichtig – muss anders abgeholt werden. Wenn ich versuche, den Senior-Marketing-Manager mit den gleichen Motiven abzuholen wie den CFO, dann wird das nichts“, so Rath. Dementsprechend kann nicht eine Anzeige allen Stakeholdern ausgespielt werden. Es muss eine Kampagne für die Operativen geben, in denen die Funktionen im Fokus stehen, die den Alltag erleichtern. Einen CFO sprechen Use-Cases an und wie andere Kund:innen welchen Return on Invest erzielt haben. Ein CTO will sehen, welche Schnittstellen es gibt. Datenschutzbeauftragte wollen wissen, ob Server in Deutschland stehen und wohin welche Daten übermittelt werden. „Leider gucken die meisten Companys: Was machen die Competitor, welche Motive und Pain-Points nutzen die?“, meint Rath – anstatt sich auf die eigene Research zu stützen.
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Kein Gatekeeping für relevante Infos
Um einen Marketing Qualified Lead, kurz MQL, zu generieren, werden häufig sogenannte Lead-Magnete eingesetzt: Unternehmen versprechen nutzwertigen Content wie Whitepaper und Case-Studies im Tausch gegen Kontaktdaten. Über diese Kontaktdaten kann die Sales-Abteilung die Interessenten kontaktieren. Laut Rath ist das teuer, ineffizient und ein Symptom eines zwanghaften Drangs, alles messen zu müssen. „Die wichtigsten Touchpoints sind untrackbar heutzutage“, sagt er. Wichtiger als das Whitepaper sind Empfehlungen von Kolleg:innen oder Unternehmenspartner:innen, denen vertrauen Menschen mehr als Verkäufer:innen und Werbematerialien.
Es ist allerdings schwer, eine Nachfrage zu generieren, wenn die dafür wichtigen Informationen hinter einer Daten-Bezahlschranke stehen. Leads können nur mit generischen Inhalten erzielt werden, die nicht auf das Ziel der Nachfrage einzahlen. Spezifische Inhalte wird kaum jemand herunterladen, da das Problem noch gar nicht bekannt ist. Wichtige Argumente für das Produkt, die eventuell zur Kaufbereitschaft beitragen, müssen sie erst mit ihren Daten erkaufen – das ist, als müsstest du für das Aldi-Werbeprospekt erst deine Handynummer abgeben. Zuletzt weist Rath darauf hin: „Die meisten, die sich ein E-Book runterladen, lesen es nicht mal.“
Sein Best Practice ist: ein Video zu einem spezifischen Pain-Point aufnehmen und es als Werbeanzeige hochladen. Der Cost per Lead eines MQL kostet zwischen 30 und 120 Euro, den Wert hat Rath aus der Erfahrung und Linkedins eigenen Angaben. Dass eine Person ein bisschen das Video schaut, kostet ein paar Cent. Ein Video zu schauen, hat dabei wahrscheinlich mehr Impact, weil diese Person in ein, zwei Minuten immer noch mehr über die Firma und das Produkt lernt, als jemand, der ein Whitepaper herunterlädt, nicht liest und genervt ist von Follow-up-Mails. Die Winrate von einem Lead liegt außerdem bei den meisten Unternehmen von wesentlich unter einem Prozent. Bei 100 Leads kommt also mit Glück ein einziges neues Abo dazu.
Auch da gibt es messbare KPI: die Video-Completion-Rate und Average-Watch-Time und Engagement wie Likes und Kommentare. Wenn zehn Prozent das Video bis zum Ende schauen, ist das für Rath schon sehr gut. Bei dem Preis ist es dann auch einfacher, verschiedene Videos zu testen und zu schauen, was resoniert. Rath checkt auch die Kommentarspalten und vernetzt sich teilweise sogar mit potenziellen Kund:innen. So erreicht er sie auch organisch.
„So ist SAP doch groß geworden“ ist veraltetes Mindset
Dass noch so an der Lead-Generation über das Gatekeeping von Informationen festgehalten wird, sieht Rath an einem veralteten Mindset: Insbesondere das C-Level würde an Taktiken festhalten, die vor zehn Jahren funktioniert und SAP zum Erfolg gebracht hätten. Wichtig ist, zu verstehen: Es gab eine Verschiebung vom Seller-Led-Sales zum Buyer-Led-Sales. Sprich: Die Kund:innen bestimmen den Weg. Vor einiger Zeit wären Menschen noch aufgeregt gewesen, wenn Firmen sie kontaktiert hätten, und hätten sich geehrt gefühlt, diese Aufmerksamkeit zu erhalten. Heute ist das nicht mehr neu – und Kaltakquise über die Social-Kanäle nervt eher, als dass es aufregend ist. Dementsprechend müssen auch die Marketingkampagnen aufgesetzt werden.
Bin ich zu effizient?
Wie viel Geld sollte ich in Linkedin investieren? Rath empfiehlt, sich das Verhältnis zwischen Customer-Acquisition-Cost (CAC) und Customer-Lifetime-Value (CLV) anzusehen. Wenn es im Bereich 1:3 bis 1:5 ist, sieht er das als gut. Ist aber der CLV beispielsweise achtmal größer als der CAC, dann bist du zu effizient. Denn dann könntest du insgesamt mehr Kund:innen erreichen, wenn du mehr investierst wird, um sie zu akquirieren – beispielsweise über Linkedin-Marketing.
Marketing ohne Fingerzeig
Neben der Research gibt es für Rath eine weitere Grundlage: Dass Sales und Marketing miteinander arbeiten, nicht gegeneinander. Keine Maßnahme kann effizient sein, wenn eine alleinstehende Vanity-Metric erfüllt wird. Statt dass Sales Umsatz generieren soll und Marketing Leads, was nicht miteinander zusammenhängen muss, arbeiten beide auf eine gemeinsame KPI hin. Raths Strategie: Eine Sales-Stage auswählen, eine Closing-Rate, beispielsweise 25 Prozent – und auf die entsprechende KPI wird optimiert. Ob das Sales-Qualified-Leads sind oder Sales-Accepted-Opportunity (SAO) ist zunächst egal. Wichtig ist, dass es ein gemeinsames Ziel gibt.