Mehr als nur ein Name: Warum macOS 26 ein strategischer Neustart für Apple ist

Es ist eine der umfassendsten Software-Initiativen, die das Unternehmen aus dem kalifornischen Cupertino seit langer Zeit in Angriff genommen hat. Auf der Worldwide Developers Conference (WWDC), die vom 9. bis zum 13. Juni 2025 stattfindet, hat Apple die nächste Generation seiner Betriebssysteme vorgestellt. Im Zentrum der Keynote vom 9. Juni um 19:00 Uhr unserer Zeit stand dabei nicht nur eine Fülle an neuen Funktionen, sondern ein grundlegender Wandel in Design und Namensgebung.
Liquid Glass: Die größte Design-Reform seit iOS 7
Den Kern der Neuerungen bildet „Liquid Glass“. Dabei handelt es sich gefühlt um die größte visuelle Überarbeitung von Apples Oberflächen seit der Einführung von iOS 7 im Jahr 2013. Die Inspiration dafür liefert unverkennbar visionOS, das Betriebssystem des Mixed-Reality-Headsets Vision Pro.
Das neue Design setzt auf transparente, glasartige Elemente, die Fenstern, Menüs und System-Icons eine moderne und leichtere Anmutung verleihen. Ziel ist es, die visuelle Sprache über alle Plattformen hinweg – von macOS über iOS bis iPadOS – zu vereinheitlichen und so ein kohärenteres Nutzererlebnis zu schaffen. Ein solcher Schritt birgt für etablierte Nutzer:innen jedoch auch das Risiko, dass gewohnte Arbeitsabläufe durch die Umstellung zunächst beeinträchtigt werden könnten.
Andererseits erlaubt das neue Design eine deutlich umfangreichere Anpassung an die eigenen Vorstellungen. So können Nutzer:innen nicht nur die Farben von Ordnern ändern und ihnen Emojis hinzufügen, sondern auch App-Icons mit verschiedenen Tönungen versehen. Das wiederum dürfte heutigen Individualist:innen mehr als nur gefallen.
Passend zum visuellen Neustart bringt Apple auch eine neue Namensgebung. Statt der fortlaufenden Nummerierung erscheint das nächste Mac-Betriebssystem als macOS 26 – benannt nicht nach dem Erscheinungsjahr, sondern dem Jahr, in dem die nächste Version erscheinen wird. Der Beiname „Tahoe“ führt die Tradition fort, macOS-Versionen nach Orten in Kalifornien zu benennen.
Neue Funktionen treffen auf bekannte KI
Abseits des Designs wird die Funktionalität gezielt ausgebaut. So gibt es eine neue, zentrale Gaming-App, die das Game Center integriert und die Spielerfahrung auf Apple-Geräten verbessern soll. Ergänzt wird dies durch ein neues Game Overlay, das den Zugriff auf Einstellungen und Chats direkt im Spiel erlaubt. Dazu gehört vor allem auch die neue Grafikplattform Metal 4, die das Rendering auf ein neues Level heben soll.

Auch unter macOS bündelt Apple Spiele künftig in der eigens erstellten Games-App. (Bild: Apple)
Apples KI-Offensive, bekannt als „Apple Intelligence“, wird dabei weiter in das System integriert. Eine verbesserte Shortcuts-App soll es den Nutzer:innen mithilfe von KI-Modellen erleichtern, komplexe Automatisierungen zu erstellen. Apple verspricht sich davon eine erhebliche Produktivitätssteigerung.
Apple Intelligence wird aber auch in anderen Bereichen sichtbar: Eine neue Live-Translation-Funktion übersetzt Gespräche in Nachrichten und FaceTime in Echtzeit direkt auf dem Gerät. Auch die Erinnerungen-App wird intelligenter und kann nun relevante To-dos aus E-Mails oder Notizen selbstständig erkennen.
Der wohl größte Sprung nach vorn gelingt bei der Systemsuche Spotlight. Über sogenannte Intelligent Actions wird sie zur Kommandozentrale: Nutzer:innen können direkt aus der Suche heraus Aktionen starten, ohne die App zu wechseln. Dank neuer Programmierschnittstellen (APIs) wird dies auch für Drittanbieter-Apps möglich.
Parallel dazu wird die Verbindung zum iPhone massiv ausgebaut. Über die Continuity-Funktion kommt nicht nur die vollständige Telefon-App auf den Mac, sondern auch neue KI-gestützte Funktionen wie ein Anruf-Filter (Call Screening) und ein Warteschleifen-Assistent (Hold Assist). Auch Live-Aktivitäten vom iPhone erscheinen jetzt in der Mac-Menüleiste.
Apple-Manager Craig Federighi, der die Neuerungen präsentierte, zeigte sich regelrecht begeistert: „Mit seinem wunderschönen neuen Design, den erstaunlichen Continuity-Erlebnissen, den leistungsstarken Verbesserungen für Spotlight […] ist das Mac-Erlebnis besser denn je.“
Eine strategische Neuausrichtung mit Bedacht
Die Fokussierung auf ein umfassendes Redesign kann als strategische Entscheidung verstanden werden. Während Konkurrenten wie Google aus dem kalifornischen Mountain View oder Microsoft aus Redmond im US-Bundesstaat Washington massiv in generative KI investieren, will Apple einen ausgewogeneren Weg gehen, der den Fokus stark auf die Privatsphäre der Nutzer:innen legt. Viele der neuen KI-Funktionen laufen bewusst nur auf dem Gerät. Der Konzern setzt auf eine visuelle Auffrischung, um die Nachfrage anzukurbeln, integriert KI-Funktionen aber eher schrittweise.
Dieser Ansatz ist nicht frei von Kritik. Analyst:innen sehen Apple im KI-Rennen teils im Rückstand. Die Konzentration auf die Oberfläche könnte als Versuch interpretiert werden, von den noch ausstehenden großen KI-Sprüngen abzulenken. So wird eine fundamental überarbeitete, intelligentere Siri-Version erst für 2026 oder sogar später erwartet. Auch andere bereits angekündigte KI-Funktionen könnten erst mit Verzögerung für die Nutzer:innen verfügbar werden.
Es zeichnet sich das Bild einer sorgfältig geplanten, aber in Teilen auch konservativen Weiterentwicklung ab. Während die neue Optik von macOS 26 und den Schwester-Systemen für frischen Wind sorgt, bleiben die wirklich revolutionären KI-Anwendungen vorerst Zukunftsmusik. Für die anwesenden Entwickler:innen bedeutet dies eine klare Marschroute für die kommenden Monate. Sie müssen ihre Apps an eine grundlegend neue Designsprache anpassen.
Die Details aller Änderungen hat Apple in dieser Ankündigung zusammengestellt.