Nuklearantrieb: In halber Zeit zum Mars – Europas neuer Plan für die Raumfahrt

Die ESA will mit Atomkraft zum Mars fliegen. (Bild: Paopano/Shutterstock)
Eine aktuelle Studie der Europäischen Weltraumorganisation ESA mit Sitz im französischen Paris kommt zu einem klaren Ergebnis: Ein nuklearthermischer Antrieb (NTP) ist für Europa nicht nur technologisch machbar, sondern bietet auch enorme Vorteile für künftige Missionen zum Mond und Mars.
Das Problem der heutigen Raumfahrt ist der chemische Antrieb
Die Untersuchung mit dem Namen „Alumni“ wurde gemeinsam mit zwei spezialisierten Industriepartnern durchgeführt: der Ariane Group aus Paris, die als Hauptauftragnehmerin die europäischen Ariane-Raketen baut, und Framatome Space, einem auf Nukleartechnik für den Weltraum fokussierten Unternehmen.
Das grundlegende Problem heutiger Raumfahrt ist die geringe Effizienz chemischer Antriebe. Um die aktuell rund neunmonatige Reise zum Mars signifikant zu verkürzen, müssten Raumfahrzeuge eine untragbare Menge an Treibstoff mitführen.
Hier setzt der nuklearthermische Ansatz an: statt einer chemischen Verbrennung nutzt ein kompakter Reaktor die Kernspaltung, um flüssigen Wasserstoff auf extreme Temperaturen zu erhitzen. Dieses über 2.500 Grad Celsius heiße Gas wird durch eine Düse ausgestoßen und erzeugt einen hochwirksamen Schub, der die Reisezeit zum Roten Planeten auf etwa vier bis fünf Monate halbieren könnte.
Europas Aufholjagd im technologischen Wettlauf
Die Idee ist nicht neu, doch die Initiative der ESA gewinnt durch die Entwicklungen in den USA an Dringlichkeit. Dort treiben die Nasa und die Forschungsagentur Darpa mit dem Draco-Programm ein sehr ähnliches Projekt voran und planen einen ersten Testflug im Orbit bereits für das Jahr 2027. Sollte Europa hier nicht nachziehen, droht es, in diesem zukunftsweisenden Technologiefeld den Anschluss zu verlieren.
Die Vorteile des NTP-Antriebs gehen über die reine Geschwindigkeit hinaus. Er ist besonders für schwere Nutzlasten und Manöver geeignet, die massive Geschwindigkeitsänderungen von 25.000 km/h oder mehr erfordern. Interessanterweise würde die Strahlenbelastung für die Astronaut:innen an Bord trotz des Reaktors sinken. Die stark verkürzte Reisezeit reduziert die Gesamtdauer, in der die Crew der permanenten kosmischen Strahlung im All ausgesetzt ist.
Sicherheit als Prämisse, aber die Hürden sind hoch
Die Sicherheit steht bei dem Konzept im Vordergrund. Laut der ESA-Studie würde der Reaktor erst in einem hohen und stabilen Orbit aktiviert, weit entfernt von der Erdatmosphäre. Der frische Uranbrennstoff sei vor der Aktivierung nur schwach radioaktiv, und ein mehrschichtiger Strahlenschutzschild soll die Crew während der kurzen Antriebsphasen schützen.
Trotz der vielversprechenden Ergebnisse der Studie ist der Weg zu einem europäischen Nuklearantrieb noch weit und mit Herausforderungen verbunden. Bislang existiert das Konzept nur auf dem Papier. Die nächsten Schritte erfordern den Bau von sicheren Testanlagen am Boden, die Entwicklung neuartiger Keramik-Metall-Verbundstoffe für den Reaktorkern und die Klärung der Brennstoffherstellung und -versorgung. Dies ist ein langfristiges und kostspieliges Unterfangen, dessen Erfolg nicht garantiert ist und das eine breite politische und gesellschaftliche Akzeptanz erfordern wird.