Seltene Erden: In diesen unkonventionellen Quellen sind Startups auf der Suche

Ein ausgedienter Magnet, der das Seltenerdmetall Neodym enthält. Mit schlauen Verfahren wird daraus wieder ein neuer Magnet für Windräder oder Elektroautos.
Foto: Noveon Magnetics
Für junge Menschen im Chemieunterricht sind sie oft der blanke Horror: die 17 Seltenerdmetalle mit den seltsamen Namen, die sich im chemischen Periodensystem der Elemente auf den unteren Plätzen tummeln. Bei vielen Unternehmen aber sind Samarium, Neodym oder Dysprosium – um nur ein paar Beispiele zu nennen – heiß begehrt. Denn diese Metalle spielen eine wichtige Rolle für die Energiewende. Unter anderem stecken sie in Magneten von Elektromotoren in Windrädern, Elektroautos und Wärmepumpen. Auch für Leuchtstoffe, Festplatten, Kernspintomografen und die Halbleiterproduktion werden sie gebraucht.

Die Mountain Pass Mine für Seltene Erden ist die einzige aktive Mine in den USA. Gewinn hat sie laut der Nachrichtenagentur Reuters im letzten Quartal nicht gemacht. Die Preise für Seltene Erden sind zu stark gefallen.
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Die Internationale Energieagentur schätzt, dass die Nachfrage nach den Seltenen Erden bis 2040 um das Drei- bis Siebenfache steigen wird. Und das ist ein Problem. Zwar sind die meisten dieser Metalle gar nicht so selten, wie ihr Name vermuten lässt, aber in vielen Erzlagerstätten kommen sie nur in sehr kleinen Konzentrationen vor und ihre Gewinnung lohnt sich vielerorts schlicht nicht. Die mit Abstand weltweit größte Menge liefert China, aber auch Myanmar, Vietnam und Russland zählen zu den Herkunftsländern. Das bedeutet nicht nur große wirtschaftliche Abhängigkeiten. Vielerorts leiden Menschen und Umwelt durch schlechte Arbeitsbedingungen und giftige, zum Teil radioaktive Stäube und andere Emissionen der Minen.
Immer mehr Start-ups und Unternehmen wollen die kritischen Metalle daher auch aus ungewöhnlichen und vor allem inländischen Quellen bergen: zum Beispiel aus Flugaschen von Kohlekraftwerken, aus Abfällen der chemischen Industrie, Bergbaudeponien oder aus Elektroschrott. Die Recyclingidee ist schon seit vielen Jahren Gegenstand von Forschung. Nun scheint sie endlich Fahrt aufzunehmen. Das Potenzial immerhin ist beachtlich.
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Algen als Metallfänger
Allein in Deutschland schlummerten ein bis zwei Millionen Tonnen Seltene Erden in den Halden von Bergbauminen, Abwässern und Elektroschrott, sagt Thomas Brück von der Technischen Universität München. Er will die begehrten Metalle mithilfe von Blaualgen schürfen, mit fadenförmigen Cyanobakterien. „Unter anderem, weil man für ihre Aufzucht praktisch nur Licht und CO2 aus der Luft braucht“, so der Forscher. Die Bakterien können, selbst wenn sie tot sind, aus einer Lösung große Mengen Seltenerdmetalle aufnehmen. Anschließend werden sie mit einem Sieb herausgefischt und die Metalle werden mit Säuren wieder herausgewaschen. Bis zu siebenmal könne eine Algencharge wiederverwendet werden, berichtet Brück. Eine andere Möglichkeit sei, die Biomasse zu verbrennen. Dann erhalte man die Oxide der Seltenerdmetalle als Produkt. Vor dem Prozess werden störende Metalle wie Eisen mit chemischen Methoden aus der Lösung entfernt.
„Eines unserer ,Haustierchen‘ ist Calothrix brevissima, eine filamentöse, also fadenförmige Alge“, erklärt Brück. Diese Bakterien nehmen die Metalle nicht direkt auf, sondern wirken Brück zufolge als Adsorbens wie eine Art Ionentauscher. Sie tragen Zuckerpolymere mit ganz speziellen Strukturen auf ihrer Zelloberfläche, die wie Magneten auf die Seltenen Erden wirken. „Das heißt, der Stoffwechsel der Algen spielt für unser Verfahren keine Rolle, und deshalb können wir eben auch mit toten Algen arbeiten.“ Auch Reststoffströme eigneten sich für das Verfahren, also Algen, die zuvor zum Beispiel schon Pigmente, Proteine oder Fette für Fleischersatz und Treibstoffe produziert haben.

Mit Proben aus dem Blaualgenreaktor untersucht Thomas Brück, wie schnell sich die Algen vermehren. Sie sollen später Seltenerdmetalle aus Abfällen ziehen.
Foto: Andreas Heddergott / TUM
Zudem wirken bestimmte Stämme dieser Algen durch feine Unterschiede in ihren Oberflächenstrukturen sehr selektiv auf ein spezifisches Seltenerdmetall. Das sei ein großer Vorteil, betont Brück. „Seltenerdmetalle sind sich in ihren physikalischen Eigenschaften sehr ähnlich. Sie haben etwa den gleichen Radius und in ihren Verbindungen in der Regel auch die gleiche elektrische Ladung, sodass man sie mit üblichen Methoden nur sehr schwer trennen kann.“ Mit dem neuen Verfahren lassen sich laut Brück verschiedenste Quellen für Seltene Erden anzapfen, zum Beispiel Elektroschrott oder die Abfälle aus der Produktion chemischer Katalysatoren. Da sei „noch viel zu holen“, sagt Brück. Im Fokus stünden derzeit die Abfälle von Bergbauminen.