Verkauf an Gebrauchtportale: Warum viele Kunden ihr Smartphone im Wert überschätzen

Wird oft im Wert überschätzt: das iPhone 14 von Apple. (Foto: t3n)
Immer öfter verkaufen Verbraucher:innen Technikprodukte an Second-Hand-Plattformen wie Swappie, Wirkaufens, Rebuy oder Asgoodasnew. Dass sie dies tun, hat meist mit der Einfachheit des Geschäfts zu tun: Man muss nicht mit den Interessent:innen verhandeln, riskiert nicht, dass diese zur vereinbarten Übergabe nicht erscheinen oder sich unverschämt verhalten und hat auch beim Preis kein Gefeilsche. Umgekehrt gibt es bei den genannten Portalen deutlich weniger fürs eigene Gerät – einerseits weil diese ja auch eine Gewinnspanne haben, andererseits aber auch, weil sie das Gerät mehr oder weniger umfassend prüfen und den Zustand bewerten müssen.
Doch Unsicherheiten gibt es auch bei diesen sogenannten Re-Commerce-Portalen. Denn diese machen zwar ein im Prinzip verbindliches Angebot, können im Nachhinein aber dennoch das Gerät einem anderen beschriebenen Zustand zuordnen. Der oder die Verkäufer:in kann das entweder annehmen oder die Ware zurückfordern. Doch worauf achten die Unternehmen genau – und wie wahrscheinlich ist es, dass man auch wirklich den versprochenen Preis erhält? Wir haben darüber mit Jevgeni Baskin, Head of Service Operations & Logistics vom Refurbished-Händler Swappie, gesprochen.
Oftmals gibt es weniger Geld als erwartet
Der Swappie-Experte erklärt, dass natürlich mit den Augen des zukünftigen Besitzers auf die Geräte geschaut wird. „Damit kann das Gerät nicht nur als funktionierendes Smartphone bewertet werden, sondern die Erwartungen liegen auch auf dem optischen Zustand, der Leistung und der Zuverlässigkeit.“ Ähnlich wie bei anderen Portalen reichen die Verkäufer:innen ein Formular ein, in dem sie neben der Ausstattung und den Features auch den Zustand des Geräts beschreiben. Es geht dabei sowohl um visuelle als auch um funktionale Aspekte, also um Kratzer auf dem Bildschirm ebenso wie um die Face ID und den Akkustatus.
Was dann nach dem Einsenden folgt, ist eine professionelle Diagnose, bei der es darum geht, den Zustand des Geräts zu validieren und potenzielle Abweichungen zu identifizieren. Dies geschehe sowohl mit automatisierten Testlinien als auch mit manueller Überprüfung, erklärt Baskin und schildert eine interessante Beobachtung: Demnach überschätzen bis zu 85 Prozent der Kund:innen ihre Smartphones, insbesondere bei Modellen wie den iPhone-Serien 11 bis 14 und den höheren Zustandsklassen A bis C. Dies führe häufig dazu, das Preisanpassungen vorgenommen werden und der Verkäufer weniger Geld überwiesen bekommt.
Baskin erklärt, dass vor allem bei den älteren Geräten – bis hin zum iPhone 11 – die höchsten Abschläge gegenüber dem prognostizierten Wert zu erwarten seien, während bei den aktuelleren Modellen die Abschläge aufgrund von Fehleinschätzung niedriger ausfielen. Die Rede ist aber auch beim iPhone 16 noch von 27 Prozent, was bedeutet, dass immerhin jede:r vierte Kund:in mit seinem eingesandten Smartphone weniger erzielt als erwartet. Dennoch akzeptierten laut dem Unternehmen rund 85 Prozent der Kund:innen das überarbeitete Angebot nach dem Betrachten von Fotos des Geräts.
Swappie erklärt, dass es bei alldem nicht nur um Modell, Speichergröße, optischen Zustand und den Test der wichtigsten Funktionen von Kamera über Mikrofon und Lautsprecher bis hin zu den Bluetooth- und Face-ID-Funktionalitäten gehe, sondern auch um die Akkugesundheit. Einen Preisnachlass riskiert hier, wer eine nicht originale Batterie eingebaut hat. Im Verkauf setzt Swappie neuerdings eine Mindestkapazität von 86 Prozent voraus und bietet Altgeräte auch mit komplett neuen Batterien als optionale Leistung an.
Nicht-Apple-Teile bringen meist Punktabzug
Überhaupt sind iPhones mit ausgetauschten Bildschirmen, fehlender True-Tone-Funktion oder Aftermarket-Teilen dem Unternehmen natürlich weniger willkommen als solche rein aus Original-Apple-Teilen. Eine der häufigsten Unstimmigkeiten, so erklärt Baskin, betreffe die Nutzung des Ladeanschlusses. Viele Kunden bemerken zum Beispiel keine Abnutzungserscheinungen am Ladeanschluss. Wenn jedoch sichtbare Gebrauchsspuren vorhanden sind, kann Swappie ein solches Gerät nicht als „wie neu“ weiterverkaufen.
Last, but not least wird anhand der IMEI-Nummer geprüft, ob es sich um ein als gestohlen gemeldetes Gerät handelt. Im Rahmen des Automatisierungsprozesses prüft das Unternehmen außerdem, ob die iPhones keine persönlichen Daten mehr beinhalten und ein kompletter Reset vorgenommen wurde.
Grundsätzlich prüfen alle Refurbished-Portale ihre Ware entsprechend umfassend, wodurch es der auf Apple-Produkte spezialisierte Anbieter Swappie leichter hat als etwa Rebuy, Wirkaufens, Myswoop oder Backmarket, die eine Vielzahl an unterschiedlichen gebrauchten Geräten unterschiedlicher Hersteller anbieten. Entscheidend ist dabei aber tatsächlich, dass die Geräte den versprochenen Zustand treffen. Sonst riskiert der Händler, dass er auf der Ware sitzen bleibt oder weniger erlöst. Denn jede Rücksendung im Rahmen der Fernabsatzfrist bedeutet ja, dass man das Gerät erneut in Augenschein nehmen muss.
Klingt alles reichlich ernüchternd, doch Swappie betont, dass die Preisänderungen und Abweichungen zur Kundenbewertung stets auf tatsächlichen Diagnosen und gründlichen Überprüfungen basieren würden. Man arbeite aber stets daran, die Selbstbewertung so gut wie möglich zu gestalten, um zu viele Preisänderungen zu vermeiden. Baskin betont, dass eine solche Prüfung letztlich vor allem dem oder der neuen Käufer:in helfe, böse Überraschungen zu vermeiden – letztlich angesichts der Rückgabeberechtigung aber auch Swappie vor Rücknahmen bewahrt. „Der Unterschied zwischen einem gebrauchten Smartphone, beispielsweise aus dem Privatverkauf, und einem Swappie-Gerät liegt im Prüfprozess.“
Sind das die skurrilsten Ebay-Auktionen?