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„Wie ein Rorschach-Test“: Warum die KI-Urheberrechtsurteile noch vieles offen lassen

In den USA kam es zu ersten Entscheidungen zwischen Verlagen und großen KI-Anbietern. Doch was auf den ersten Blick nach Klarheit aussieht, ist in Wahrheit keine.

Von MIT Technology Review Online
5 Min.
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Ein kalifornisches Geschworenengericht befindet Google für schuldig. (Foto: Phanphen Kaewwannarat / Shutterstock)

Letzte Woche haben die Technologieunternehmen Anthropic und Meta jeweils einen scheinbar bahnbrechenden Sieg in zwei getrennten Gerichtsverfahren errungen. In diesen wurde geprüft, ob die Unternehmen gegen das Urheberrecht verstoßen haben, als sie ihre großen Sprachmodelle ohne Genehmigung mit urheberrechtlich geschützten Büchern trainierten. Die Urteile sind die Ersten, die in Urheberrechtsfällen dieser Art gefällt wurden.

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Für die KI-Branche ist das eine große Sache. Die Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke zum Trainieren von Modellen steht im Mittelpunkt eines erbitterten Streits zwischen Technologieunternehmen und Kreativen. Dieser Streit wird in den USA mit technischen Diskussionen darüber ausgetragen, was als Fair Use eines urheberrechtlich geschützten Werks gilt und was nicht. Optimist:innen hoffen, dadurch einen Raum zu schaffen, in dem die Kreativität von Mensch und Maschine weiterhin nebeneinander bestehen kann.

Neue Arten von Lizenzen für KI-Trainingsdaten?

Derzeit sind Dutzende ähnlicher Urheberrechtsklagen allein in den USA anhängig, darunter Klagen gegen alle großen Akteure – nicht nur Anthropic und Meta, sondern auch gegen Google, OpenAI, Microsoft und weitere. Die Kläger reichen von einzelnen Künstlern und Autoren bis hin zu großen Unternehmen wie Getty (Fotobibliothek) und der New York Times. Die Ergebnisse dieser Fälle könnten enorme Auswirkungen auf die Zukunft der KI-Branche haben. Sie werden darüber entscheiden, ob Modellanbieter weiterhin weitgehend kostenlose Trainingsdaten in Anspruch nehmen können. Wenn nicht, müssten sie für solche Trainingsdaten über neue Arten von Lizenzvereinbarungen bezahlen – oder sogar neue Wege finden, um ihre Modelle zu trainieren. Diese Veränderungen könnten die Branche auf den Kopf stellen.

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Deshalb sind die neuen Urteile so wichtig. Aber abgeschlossen sind die Fälle damit noch nicht. Wenn man sich die Details genauer ansieht, sind die Urteile weniger eindeutig, als sie auf den ersten Blick erscheinen: In beiden Fällen wollte eine Gruppe von Autor:innen (die Klage von Anthropic war eine Sammelklage; 13 Kläger:innen verklagten Meta, darunter bekannte Namen wie Sarah Silverman und Ta-Nehisi Coates) beweisen, dass die Technologieunternehmen ihr Urheberrecht verletzt hat, indem es ihre Bücher ohne Nachfrage zum Trainieren großer Sprachmodelle verwendete. In beiden Fällen argumentierten die Unternehmen, dass dieser Trainingsprozess als Fair Use zu betrachten sei, eine im US-Gesetz vorhandene Regelung, die die Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke für bestimmte Zwecke erlaubt.

KI vs. Urheberrecht: Wie die US-Richter argumentierten

Damit enden jedoch die Gemeinsamkeiten. Der leitende Bezirksrichter William Alsup entschied am 23. Juni zugunsten von Anthropic und argumentierte, dass die Verwendung der Bücher durch das Unternehmen legal sei, da es diese transformativ genutzt habe. Das heißt: Die Originalwerke wurden nicht ersetzt, sondern mittels KI wurde etwas Neues daraus geschaffen. „Die fragliche Technologie gehört zu den transformativsten, die viele von uns in ihrem Leben sehen werden“, schrieb Alsup in seinem Urteil.

Im Fall von Meta argumentierte Bezirksrichter Vince Chhabria hingegen anders. Er gab zwar ebenfalls dem Technologieunternehmen recht, konzentrierte sich in seiner Entscheidung jedoch auf die Frage, ob Meta den Markt für die Werke der Autoren geschädigt habe. Chhabria sagte, er sei der Meinung, dass Alsup die Bedeutung solcher Marktschäden außer Acht gelassen habe. „Die entscheidende Frage in praktisch allen Fällen, in denen ein:e Beklagte:r das Originalwerk einer anderen Person ohne Genehmigung kopiert hat, ist doch, ob die Zulassung eines solchen Verhaltens den Markt für das Original erheblich beeinträchtigen würde“, schrieb er im Urteil vom 25. Juni.

Gleiches Ergebnis, zwei sehr unterschiedliche Urteile. Und es ist nicht klar, was das genau für die anderen Fälle bedeutet. Einerseits stützt es mindestens zwei Versionen des Fair-Use-Arguments. Andererseits gibt es Uneinigkeit darüber, wie über Fair Use entschieden werden sollte. Aber es gibt noch wichtigere Dinge zu beachten: Chhabria stellte in seinem Urteil deutlich klar, dass Meta nicht gewonnen habe, weil es im Recht war, sondern weil die Kläger keine ausreichend stichhaltigen Argumente vorbringen konnten.

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Kein Freibrief für die KI-Unternehmen

„Im Großen und Ganzen sind die Folgen dieses Urteils begrenzt“, schrieb er. „Dies ist keine Sammelklage, daher betrifft das Urteil nur die Rechte dieser 13 Autor:innen – nicht die unzähligen anderen, deren Werke Meta zum Trainieren seiner Modelle verwendet hat.“ Und wie nun klar sein sollte, bedeute dieses Urteil nicht, dass die Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Material durch Meta zum Trainieren seiner Sprachmodelle rechtmäßig ist. Das klingt sehr nach einer Einladung an alle anderen Urheber, die ebenfalls Probleme mit dem Training haben, erneut zu klagen.

Noch ist also kein KI-Unternehmen aus dem Schneider. Anthropic und Meta sehen sich beide unabhängigen Vorwürfen ausgesetzt. So sollen sie ihre Modelle nicht nur mit urheberrechtlich geschützten Büchern trainiert haben, sondern das auch in einer Art und Weise, die illegal war. Denn sie haben sich Bücher angeblich auch aus Raubkopien-Datenbanken heruntergeladen. Anthropic muss sich nun wegen dieser Piraterievorwürfe einem weiteren Prozess stellen. Meta wurde aufgefordert, mit den Kläger:innen Gespräche über die weitere Vorgehensweise aufzunehmen.

„Diese Fälle sind insofern ein Rorschach-Test“

Wo stehen wir nun da? Als erste Urteile in Fällen dieser Art werden die jüngsten Gerichtsentscheidungen zweifellos großes Gewicht haben. Aber sie sind auch nur die ersten von vielen weiteren Urteilen. Die Argumentationsketten beider Seiten sind noch lange nicht erschöpft. „Diese Fälle sind insofern ein Rorschach-Test, als jede Seite der Debatte in den jeweiligen Urteilen das sehen wird, was sie sehen will“, sagt Amir Ghavi, Anwalt bei Paul Hastings, der eine Reihe von Technologieunternehmen in laufenden Urheberrechtsklagen vertritt.

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Der Jurist weist auch darauf hin, dass die ersten Fälle dieser Art vor mehr als zwei Jahren eingereicht wurden: „Unter Berücksichtigung der zu erwartenden Berufungen und der mehr als 40 weiteren anhängigen Fälle ist es noch ein langer Weg, bis die Frage von den Gerichten geklärt ist.“

Urheberrecht ist nur das rechtliche Mittel

Aber selbst wenn sich der Staub in den Gerichtssälen gelegt hat – was dann? Das Problem wird damit nicht gelöst sein. Denn der Kern der Beschwerde von Kreativen, seien es Einzelpersonen oder Institutionen, ist nicht wirklich, dass ihr Urheberrecht verletzt wurde – das Urheberrecht ist nur das rechtliche Mittel, das ihnen zur Verfügung steht.

Ihre eigentliche Beschwerde ist, dass ihre Existenzgrundlage und ihre Geschäftsmodelle durch KI gefährdet sind. Und darüber hinaus: Wenn KI-Schrott – auf Englisch mit dem schönen Begriff AI Slop erfasst – kreative Leistungen entwertet, wird dann die Motivation der Menschen, ihre Werke zu veröffentlichen, nachlassen? In diesem Sinne werden diese Rechtsstreitigkeiten unsere gesamte Zukunft prägen. Für dieses umfassendere Problem gibt es noch keine gute Lösung. Alles ist offen.

Dieser Artikel stammt von Will Douglas Heaven. Er ist Senior Editor bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review und ist für den Bereich KI zuständig.
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