ChatGPT-Slang: Wie wir langsam alle ein bisschen wie eine KI klingen

Ein Team von Forscher:innen am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin hat eine bemerkenswerte Veränderung in unserer Sprache festgestellt. In einer Analyse von rund 280.000 Youtube-Videos zeigte sich, dass nach der Veröffentlichung von ChatGPT die Nutzung bestimmter von der KI bevorzugter Wörter signifikant zunahm. Akademiker:innen auf Youtube nutzten Begriffe wie „sorgfältig“ (meticulous), „Bereich“ (realm) oder „Können“ (prowess) um bis zu 51 Prozent häufiger als zuvor.
Besonders ein Wort sticht dabei als eine Art Erkennungszeichen hervor: „eintauchen“ oder „sich vertiefen“ (delve). Laut Hiromu Yakura, dem Hauptautor der Studie, ist dieses Wort nur die „Spitze des Eisbergs“ einer schleichenden sprachlichen Vereinheitlichung. Wir scheinen die typischen Formulierungen der KI unbewusst in unseren eigenen Wortschatz zu übernehmen.
Wenn Effizienz das Vertrauen untergräbt
Dieser Wandel geht über reines Vokabular hinaus und berührt einen Kernaspekt menschlicher Interaktion: das Vertrauen. Eine KI-gestützte Formulierung mag eine E-Mail oder eine Nachricht zwar kooperativer und positiver klingen lassen. Doch wie eine Studie der Cornell University in Ithaca im US-Bundesstaat New York andeutet, entsteht hier ein Paradoxon.
Sobald Menschen vermuten, dass ihr Gegenüber eine KI für die Kommunikation nutzt, sinkt das Vertrauen. Der Verdacht allein genügt, um die andere Person als weniger authentisch und fordernder wahrzunehmen. Der Effizienzgewinn durch die KI wird also mit einem potenziellen Verlust an zwischenmenschlicher Glaubwürdigkeit bezahlt.
Die eine korrekte Sprache
Eine weitere Schattenseite dieser Entwicklung ist die Tendenz zur sprachlichen Nivellierung. Sprachmodelle werden auf riesigen Datenmengen trainiert und bevorzugen daher eine standardisierte Sprache. Forscher:innen der University of California in Berkeley zeigten in einer Untersuchung, dass ChatGPT Dialekte und Soziolekte außerhalb des amerikanischen Standardenglisch systematisch vernachlässigt oder sogar stereotyp und übertrieben darstellt.
Diese Tendenz birgt die Gefahr, nicht nur die sprachliche Vielfalt zu reduzieren, sondern auch eine Norm für „korrekte“ Sprache zu etablieren. Die kleinen sprachlichen Imperfektionen, regionalen Eigenheiten oder verbalen Stolperer, die eine Kommunikation erst menschlich und authentisch machen, gehen dabei verloren.
Letztlich liegt es an uns Nutzer:innen, eine bewusste Entscheidung zu treffen. Die Technologie wird unsere Sprache weiter formen. Die Frage ist, ob wir KI als reinen Ersatz für eigenen Ausdruck nutzen oder als Werkzeug, das uns assistiert, ohne uns unsere sprachliche Individualität zu nehmen.